Experten-Interview: Entwicklungen auf dem deutschen Leasingmarkt


Wir sind in der Mitte des Jahres angekommen, die harten Lockdown-Phasen sind überwunden und ein wirtschaftlicher Aufschwung steht bevor. Laut des Bundesverbands Deutscher Leasingunternehmen wird der Leasing-Wirtschaft als Investitionsmotor für einen nachhaltigen wirtschaftlichen Neustart eine besondere Rolle zugeordnet.
Wir haben Dirk Bunkenburg, Head of Relationship Management bei ABN AMRO Lease dazu befragt, wie sich der deutsche Leasingmarkt derzeit entwickelt. Wir wollten wissen, wie Leasingunternehmen auf die Pandemie reagiert haben und haben außerdem erfahren, wie sie Kunden in der Phase des wirtschaftlichen Neustarts und auf ihrem Weg hin zu nachhaltigen Geschäftsmodellen unterstützen.
Wie würden Sie den aktuellen Zustand des deutschen Leasingmarktes beschreiben?
Insgesamt zeigte sich 2020 ein geringerer Rückschlag beim Gesamtleasingvolumen für Deutschland als zunächst erwartet, was sehr gut mit der BIP-Entwicklung übereinstimmte. Das typischerweise starke letzte Quartal für Unternehmensinvestitionen in 2020 lag deutlich hinter dem vierten Quartal 2019 zurück, aber das erste Quartal dieses Jahres zeigte bereits einen Aufwärtstrend im Vergleich zum weniger stark von COVID beeinflussten ersten Quartal des letzten Jahres. Dieser positive Trend hat sich mit einem gesunden Investitionsklima für die meisten unserer Kunden weiter verfestigt. Wir sehen steigende Auftragsbestände bei unseren Kunden. Insgesamt haben wir den Eindruck, dass der deutsche Leasingmarkt in der Krise eine hohe Widerstandsfähigkeit gezeigt hat und sich der Blick der meisten unserer Portfolio-Kunden stark nach vorne richtet.
Wie haben die Leasinggesellschaften in Deutschland auf die durch COVID verursachten Probleme reagiert?
Um unsere Kunden in der Krise zu unterstützen, haben wir bei ABN AMRO Asset Based Finance unseren Kunden nach individuellem Bedarf die Möglichkeit geboten, die Leasingraten während des Lockdowns zu stunden, um die Kosten für die Kunden während der geringeren Auslastung der Anlagen, zu senken. Aktuell stellen wir fest, dass die neu vereinbarten Zahlungspläne in fast allen solchen Fällen von unseren Kunden eingehalten werden können. Wir werden jedoch erst am Jahresende sehen können, ob sich diese positive Tendenz verstetigt.
Was waren - abgesehen von COVID-19 - die wichtigsten Entwicklungen auf dem deutschen Leasingmarkt in den letzten 18 Monaten?
Angesichts der hohen Liquidität im Markt (EZB QE, staatliche Stützungsprogramme etc.) bleibt der Druck auf die Marge hoch, während die Kunden aus einer Vielzahl von Finanzierungsquellen wählen können. Was wir als Reaktion der Marktteilnehmer sehen, ist eine verstärkte Fokussierung auf innovative und nachhaltige Technologien bzw. Assets innerhalb zukunftsfähiger Geschäftsmodelle. Wir bei ABN AMRO Asset Based Finance konzentrieren uns im Rahmen unserer Nordwest-Europa-Strategie besonders auf den Wandel in den Themen Energie, Mobilität & Logistik und Digitalisierung. Diese Veränderungen gelten als die Megatrends in Europa. Mit der Fokussierung auf Assets und Kunden in diesen Bereichen tragen wir so dem sich verändernden Marktumfeld Rechnung und fördern gleichzeitig unser Engagement "Banking for better, for generations to come". Wir wollen unseren Kunden damit den notwendigen finanziellen Spielraum schaffen, der sie auf ihrem Weg zu nachhaltigeren Geschäftsmodellen unterstützt und ihren eigenen Wandel erfolgreich gestaltet.
Gibt es bestimmte Sektoren im Markt, die besonders stark oder schwach sind - und wenn ja, warum?
Vor allem der Automobilsektor hat zu kämpfen, nicht nur aufgrund der COVID-19-Pandemie, sondern aufgrund von strukturellen Veränderungen, insbesondere der Elektrifizierung. Direkt betroffen sind dadurch auch vorgelagerte Wertschöpfungsstufen wie vor allem die metallverarbeitenden Zulieferbetriebe im Bereich des Antriebsstrangs und damit zusammenhängender Komponenten. Hier sind die Lieferketten sehr stark integriert und Deutschland verfügt über einen bedeutenden industriellen Cluster in diesem Bereich. Der Automobilsektor insgesamt erholte sich zwischenzeitlich stark, da die meisten Märkte die harten Lockdown-Phasen hinter sich gelassen haben. Exportorientierte Unternehmen reagierten zeitlich unterschiedlich aufgrund unterschiedlicher regionaler Strategien und Entwicklungen bei der Krisenbewältigung. Zum Beispiel erholte sich das China-Geschäft viel früher als das Geschäft mit den USA. Andere stark betroffene Sektoren, wie der Tourismus, sind weniger relevant für das Leasinggeschäft.
Auf der anderen Seite haben sich E-Commerce-bezogene Unternehmen gut entwickelt, da der Online- & Digitalisierungs-Transformationsprozess während der Pandemie starke Impulse erhielt. Vorreiter im Bereich der Nachhaltigkeit zeigen zudem bessere Geschäftsaussichten im Vergleich zu den Nachzüglern innerhalb der gleichen Branche. Dies lässt sich am besten durch ein sich änderndes Kundenbewusstsein und -verhalten erklären. Wir sprechen mit unseren Kunden aktiv über dieses Thema, wobei die Kunden erkennen, dass sie einen besseren Zugang zu Finanzmitteln haben, wenn ihre Referenzen in Bezug auf Nachhaltigkeit den Erwartungen ihrer Leasing- und Finanzierungspartner entsprechen.
Wie sieht Ihr Ausblick für den deutschen Leasingmarkt für die zweite Jahreshälfte und 2022 aus?
Auf Basis eines stabilen Marktumfelds erwarten wir im Vergleich zu 2020 für das restliche laufende Jahr ein moderates Wachstum unseres Neugeschäftsvolumens. Dies setzt voraus, dass die COVID-Krise unter Kontrolle bleibt und keine weiteren Lockdowns erforderlich werden. Da Ausrüstungs- und Anlagen-Investitionen im Vergleich zum BIP-Wachstum meist eine zeitliche Verzögerung aufweisen, erwarten wir erst ab 2022 möglicherweise auch erst im darauffolgenden Jahr, eine Rückkehr zum Marktvolumen von 2019. Die jüngsten Geschäftsklimaindizes sowie unsere eigenen Gespräche mit Kunden sind jedoch positiv und lassen uns auf gute Geschäftsmöglichkeiten für den Rest des Jahres 2021 hoffen.